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Verfassungsrechtliche Aspekte der Impfpflicht: Wie prüft das Verfassungsgericht die Verhältnismäßigkeit der Impfpflicht?

Angesichts der zunehmenden gesellschaftlichen Debatte über die Möglichkeit einer Impfpflicht (möglicherweise auch gegen COVID-19) möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick über die Sichtweise des Verfassungsgerichts zu dieser Frage geben.

Ein Beispiel für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Impfpflichten ist beispielsweise das Urteil des Verfassungsgerichts der Slowakischen Republik, Aktenzeichen PL. ÚS 10/2013 vom 10. Dezember 2014 (im Folgenden „Urteil“). Aus der Vielzahl der in diesem Urteil verglichenen Verfassungsrechte wählen wir für die Zwecke dieses Textes den Vergleich aus, bei dem auf der einen Seite das Recht auf Unverletzlichkeit der Person und den Schutz ihrer Privatsphäre und auf der anderen Seite das Recht auf Schutz der öffentlichen Gesundheit auf die imaginäre Waagschale gelegt wurden.

Verhältnismäßigkeitstest

Einleitend fügte das Verfassungsgericht jedoch unter Berücksichtigung des Gegenstands des Verfahrens hinzu, dass (i) die Impfpflicht mit einem unmittelbaren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Menschen verbunden ist, deren Schutz unter den Schutz des Rechts auf Privatsphäre einer natürlichen Person im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Verfassung fällt, und fügte weiter hinzu, dass (ii) im Sinne der Verfassung (Art. 16 Abs. 1 der Verfassung) muss es sich bei einem Eingriff (Einschränkung) in das Recht auf Privatsphäre um einen Eingriff ( Einschränkung des Rechts auf Privatsphäre – durch Auferlegung einer Verpflichtung) in Form eines Gesetzes handeln . Dieser Aspekt kann im Sinne des vorliegenden Urteils als erfüllt angesehen werden, wenn die Verpflichtung zur Impfung gesetzlich festgelegt ist.

Im ersten Schritt der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Legitimität des Ziels der Maßnahme) stellte das Verfassungsgericht fest, dass der Eingriff in die Privatsphäre in Form der Verpflichtung zur Impfung als angemessen angesehen werden kann, da er tatsächlich das Erreichen des legitimen Ziels ermöglicht, das darin besteht, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen bzw. die Bevölkerung vor der Entstehung und Verbreitung übertragbarer tödlicher Krankheiten zu schützen. Das Verfassungsgericht wies in diesem Zusammenhang auch auf den großen Ermessensspielraum des Staates bei der Auswahl der übertragbaren Krankheiten hin, vor denen der Staat seine Bevölkerung schützen möchte, beispielsweise durch die Verpflichtung zur Impfung.

Im zweiten Schritt der Verhältnismäßigkeitsprüfung prüft das Verfassungsgericht die Notwendigkeit des Eingriffs zur Erreichung eines bestimmten Ziels. Das Verfassungsgericht stellte in der oben genannten Entscheidung in diesem Zusammenhang fest, dass der Eingriff in die Privatsphäre in Form der Verpflichtung zur Impfung notwendig ist, um ein legitimes Ziel zu erreichen, beispielsweise wenn zum Zeitpunkt des Eingriffs und entsprechend dem Kenntnisstand in diesem Bereich sowie den technischen und praktischen Möglichkeiten der Medizin keine wirksamere Methode zur Verhinderung der Entstehung und Ausbreitung übertragbarer tödlicher Krankheiten als die Impfung existiert.

Der dritte Schritt des Verhältnismäßigkeitstests (der sogenannte Verhältnismäßigkeitstest im engeren Sinne) besteht aus zwei Verfahren. Das erste Verfahren umfasst den Test der Wahrung des Maximums beider Grundrechte, und wenn dies nicht möglich ist, wird im zweiten Verfahren eine Abwägungsformel angewendet, mit der die Intensität des Eingriffs in ein Grundrecht mit dem Grad der Befriedigung des anderen Grundrechts in Beziehung gesetzt wird, wobei die Intensität des Eingriffs und der Grad der Befriedigung anschließend entweder einen niedrigen, mittleren oder wesentlichen Wert erhalten.

Angesichts der auch vom Verfassungsgericht festgestellten Tatsache, dass es im Falle der Impfung aufgrund der Natur beider Grundrechte objektiv nicht möglich ist, deren maximalen Schutz zu gewährleisten, hat das Verfassungsgericht eine Abwägungsformel angewandt.

Das Ausmaß der Beeinträchtigung des Rechts auf Privatsphäre in diesem Rechtsstreit wurde vom Verfassungsgericht als mittelschwer bis erheblich eingestuft, gerade weil es nicht immer notwendig ist, durch die Verabreichung eines Arzneimittels in die körperliche Unversehrtheit einzugreifen. Derzeit verpflichtet beispielsweise die gesetzliche Regelung zur Impfpflicht den Arzt, vor der Impfung eine ärztliche Untersuchung des zu impfenden Patienten durchzuführen, gesundheitliche Kontraindikationen zu berücksichtigen und die natürliche Person über alle Aspekte der Impfung und deren Auswirkungen auf den Gesundheitszustand aufzuklären.

Die Gesetzgebung sieht auch eine Befreiung von der Impfpflicht vor, wenn bei der zu impfenden Person gesundheitliche Kontraindikationen vorliegen. Ein weiteres Instrument kann die Haftung für Schäden sein, die durch fehlerhaftes Vorgehen des Gesundheitsdienstleisters und mögliche Gesundheitsschäden des Geimpften verursacht werden.

Das Ausmaß der Befriedigung des öffentlichen Interesses am Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung durch die Verhinderung der Entstehung und Ausbreitung übertragbarer tödlicher Krankheiten wurde vom Verfassungsgericht im Zusammenhang mit der Impfpflicht als wesentlich angesehen, da es sich dabei um die wirksamste Methode handelt, um nicht nur direkt die Entstehung und Ausbreitung übertragbarer tödlicher Krankheiten zu verhindern, sondern auch nachweislich zur vollständigen Ausrottung übertragbarer tödlicher Krankheiten führt. Als Beispiel führte das Verfassungsgericht die Pockenepidemie an. Weiterhin stellte das Verfassungsgericht fest, dass es im Falle eines Verzichts auf die Impfpflicht keine vergleichbar wirksame Methode zur Verhinderung der Entstehung und Ausbreitung übertragbarer tödlicher Krankheiten gibt.

Schlussfolgerung des Verfassungsgerichts

Daraus folgt, dass das wesentliche Interesse der Öffentlichkeit am Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung durch die Verhinderung der Entstehung und Ausbreitung übertragbarer tödlicher Krankheiten gegenüber dem mittleren bis wesentlichen Interesse am Schutz des Rechts auf Privatsphäre natürlicher Personen überwiegt Daher muss dem öffentlichen Interesse am Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung durch die Verhinderung der Entstehung und Ausbreitung übertragbarer tödlicher Krankheiten durch obligatorische Impfungen Vorrang eingeräumt werden.

An dieser Stelle muss jedoch erwähnt werden, dass sich das Verfassungsgericht vor allem mit der Frage der Impfpflicht für Kinder befasst hat. Darüber hinaus stellte das Verfassungsgericht in seinem Urteil fest, dass„der Umfang der Impfpflicht, d. h. gegen welche übertragbaren Krankheiten der Staat eine Impfpflicht vorschreibt (bzw. vor dem Ausbruch und der Ausbreitung welcher übertragbaren tödlichen Krankheiten der Staat beschließt, die Bevölkerung zu schützen), ist eine rein fachliche und unpolitische Frage, und in dieser Hinsicht verfügt der Staat über einen weiten Ermessensspielraum, und es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, in diese Frage der Auswahl der übertragbaren tödlichen Krankheiten, gegen die der Staat eine Impfpflicht vorschreibt, einzugreifen. Auch aus dieser Sicht ist der Eingriff in die Privatsphäre angemessen.“Eine analoge Anwendbarkeit seiner Schlussfolgerungen auch im Rahmen der aktuellen Diskussion über die Impfpflicht gegen COVID-19 kann daher nicht ausgeschlossen werden.

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